Chronische Schmerzen mit einem Schmerzschrittmacher behandeln
Wer kennt ihn nicht, den Herzschrittmacher? Ein kleiner Helfer, der korrigierend in die Herzschlagfrequenz eingreift. Nicht das Herz, sondern den chronischen Schmerz reguliert der Schmerzschrittmacher. Eine kleine Elektrode gibt Patientinnen und Patienten mit starken chronischen Schmerzen ihre Lebensqualität und Schmerzfreiheit zurück. In der Beta Klinik in Bonn ist dieser hochmoderne Eingriff durch Prof. Dr. Thomas Gasser realisierbar. Im Interview erklärt er, für wen ein Schmerzschrittmacher sich eignet und wie das hochmoderne Gerät funktioniert.
Ab wann sollte man über den Einsatz eines Schmerzschrittmachers nachdenken?
Prof. Gasser: Schmerz ist ein Signal des Körpers, deren Ursache unterschiedlicher Natur sein kann, aber in der Regel behandelt werden muss. Bevor wir zu einer Operation raten, versuchen wir die Ursache, etwa eine Entzündung, zu erkennen und auch gezielt zum Beispiel mit Medikamenten zu behandeln. Auch eine Bewegungstherapie und gezielte Mobilisation helfen, etwa Rückenbeschwerden zu therapieren.
Bei chronischen Schmerzpatienten sind die Nerven, die in das Rückenmark ziehen, oft stark geschädigt, sodass sie ständig Schmerzsignale aussenden und konservative Mittel oder Medikamente, die zudem bei Übergebrauch auch in eine Abhängigkeit führen können, nicht mehr helfen. Hier ist ein Schmerzschrittmacher eine Möglichkeit, mit der das Schmerzsignal erst gar nicht im Gehirn ankommt.
Wie funktioniert der Schmerzschrittmacher?
In einem minimal-invasiven Eingriff wird eine Elektrode in den Nervenkanal des Rückenmarks eingesetzt. Durch individuell angepasste elektrische Ströme, die die Patienten auch mittels einer Fernbedienung selbst steuern können, wird die Bahnung und Weiterleitung der Schmerzinformationen unterbunden. Es gibt ein sehr gutes wissenschaftlich begründetes Verständnis für die Wirkweise der Behandlung mit der elektrischen Stimulation.
Man stelle sich folgende Situation vor: Hammer, Daumen, Nagel. Leider treffen Sie mit dem Hammer mal nicht den Nagel, sondern Ihren Daumen. Schmerzrezeptoren senden den Treffer über die Schmerznerven nun als sehr unangenehm empfundene Information an das Rückenmark und das Gehirn. Was machen Sie? Ja, Sie reiben oder pusten auf den Daumen. Damit reizen Sie oberflächliche Sensoren, die diese neue, als angenehm empfundene Information, an das zentrale Nervensystem weiterleiten. Dieses bewertet die anfängliche Schmerzinformation durch die neu hinzugekommenen Informationen nun als geringer, als weniger schlimm, und reduziert somit die subjektiv empfundene Schmerzintensität. Anstelle von Reiben oder Pusten werden diese „angenehmen“ Fasern bei der Schmerztherapie mittels Schmerzschrittmacher durch Stromimpulse direkt im Rückenmark gereizt.
Ist es nicht schädlich, ein Warnsignal zu unterdrücken?
Im Fall von chronischem Schmerz ist es sogar schädlich, dies nicht zu tun. Hier hat der Schmerz seine Warnfunktion verloren und hat sich in ein sogenanntes Schmerzgedächtnis verselbstständigt. Dieses zu löschen, ist ein therapeutischer Prozess, den Mediziner und Patient gemeinsam leisten. Mit dem Schmerzschrittmacher können wir in einem minimal-invasiven kurzen Eingriff schon sehr viel erreichen, um in kurzer Zeit, das körperliche und seelische Wohlbefinden nachweislich signifikant zu steigern. Denn neben dem körperlichen Stress leidet auch die Psyche unter der konstanten Belastung. Aus andauernder Arbeitsunfähigkeit und der schmerzbedingten Zurückgezogenheit können eine soziale Isolation oder eine Depression entstehen.
Statt Medikamenten gibt’s nun eine Fernbedienung?
Ja, die Patientinnen und Patienten erhalten eine kleine Fernbedienung. Mit ihr können sie den Schmerzschrittmacher anschließend selbst regulieren und den Schmerz entsprechend der täglichen Belastung und Bedürfnissen blockieren. In einigen Fällen kann es zu einer Gefühlsüberlagerung kommen und Patienten spüren statt den Schmerzen ein Kribbeln, das wird aber nicht als unangenehm empfunden.
Zu den Bildern: Der Schmerzschrittmacher wird über eine kleine Fernbedienung gesteuern.
Bei welchen Beschwerden kommt ein Schmerzschrittmacher in Frage?
Diese Neuromodulation hilft nicht nur bei Rückenschmerzen. Gerade Patientinnen und Patienten, die an Nervenschmerzen (sog. neuropathische Schmerzen) leiden profitieren sehr stark. Aber auch Menschen mit chronischen Schmerzen des Herzens, ausgelöst durch Durchblutungsstörungen mit dadurch bestehenden Engegefühlen im Brustkorb oder auch Patienten mit instabiler Angina Pectoris wird damit geholfen. Wer an der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) oder am komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS/Morbus Sudeck) erkrankt ist, kann von der Implantation eines Schmerzschrittmachers profitieren. Auch neurologische Krankheiten wie Clusterkopfschmerzen können mit einem Schmerzschrittmacher behandelt werden.
Weiterführende Informationen und Terminvereinbarung
Mehr über den genauen Ablauf der Rückenmarksstimulation können Sie hier nachlesen.
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Stationärer Aufenthalt Multimodale Schmerztherapie
Die Multimodale Schmerztherapie ist bei chronischen Schmerzen das effektivste Mittel, denn chronische Schmerzen können die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Da hier körperliche, seelische und soziale Faktoren zusammenkommen, ist die psychosomatische Behandlung Kern der Therapie. Ziel der Multimodalen Schmerztherapie ist es, Betroffenen durch einen stationären Aufenthalt in der BetaGenese Klinik zurück in ein möglichst schmerzfreies Alltagsleben zu helfen.