Viele Patienten schildern „Schwindel”, meinen aber Gleichgewichtsstörungen oder noch etwas anderes. Daher soll nachfolgend der Begriff Schwindel etwas ausführlicher erläutert werden.
Schwindel: Ursachen, Symptome und Behandlung
Kurzübersicht: Schwindel
„Warum ist mir schwindelig?“ Diese Frage stellen viele Patientinnen und Patienten ihrer Ärztin oder ihrem Arzt. Denn Patientinnen und Patienten mit Schwindel sind kein Einzelfall. Mehr als jeder 10. Patient oder Patientin der einen Neurologen aufsucht klagt über Schwindel. Im Alter nimmt die Zahl der betroffenen Patientinnen und Patienten noch einmal deutlich zu.
Was ist Schwindel:
Schwindel ist ein Alarmzeichen des Gehirns, das einen Hinweis darauf gibt, dass das Gleichgewichtssystem gestört ist. Außergewöhnliche, aber nicht krankhafte Reize wie etwa eine schnelle Karussellfahrt oder eine Schiffsfahrt können das Gleichgewichtssystem irritieren und Schwindel und gelegentlich Erbrechen auslösen. Neben diesen an sich harmlosen Ursachen gibt es aber auch Krankheiten, die die Funktion des Gleichgewichtssystems beeinträchtigen. Dabei handelt es sich um Erkrankungen des Innenohrs, wo das Gleichgewichtsorgan lokalisiert ist, oder eine Störung des Gleichgewichtszentrum des Gehirns (Hirnstamm oder Kleinhirn). Neben diesen klassischen Schwindelursachen können aber auch Beeinträchtigungen der peripheren Nerven, Kreislaufregulationsstörungen/kardiale Ursachen, Medikamentennebenwirkungen oder auch psychische Faktoren Schwindel und Gleichgewichtsprobleme auslösen.
Schwindel
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NeurologieArten von Schwindel
Welche Arten von Schwindel gibt es?
Meist klassifizieren Medizinerinnen und Mediziner Schwindel in Dreh-, Schwank- und Liftschwindel sowie Pseudo-Vertigo.
Drehschwindel: Das Gefühl, dass sich im Kopf etwas dreht. Auch andersherum ist die Wahrnehmung, die Umwelt drehe sich, eine Form des Drehschwindels. (Karusselschwindel)
Schwankschwindel: Patienten mit Schwankschwindel (Schwindel wie auf einem schwankenden Schiff) empfinden, dass sich ihre Umwelt um sie herum hin und her bewegt oder schwankt. Auch ein empfundenes Nachschwanken von Bewegungen im Kopf selbst gehört zum Schwankschwindel.
Liftschwindel: Hierbei geht es hoch und runter. Bei Liftschwindel leiden Patienten unter der Wahrnehmung, bei Bewegungen zöge es sie nach oben oder unten – so wie das Gefühl, wenn der Fahrstuhl (Englisch: Lift) anfährt oder anhält.
Pseudo-Vertigo: Pseudo-Vertigo ist kein Schwindel, äußert sich aber durch ähnliche Symptome wie Benommenheitsgefühle, Augenflimmern und Unsicherheits- und Fallgefühle. Beim Pseudo-Vertigo fehlt die schwindelcharakteristische Scheinbewegung gänzlich.
Dauer von Schwindelattacken
Neben der Art des Schwindels ist für die spätere Diagnosestellung auch die Dauer des jeweiligen Schwindels wichtig. Bei einer Vestibularisparoxysmie hält der Drehschwindel z.B. nur Sekunden an wohingegen bei einer Schwindelmigräne oder dem Morbus Menière der Drehschwindel Stunden anhält. Dauerdrehschwindel (Tage bis wenige Wochen) findet sich z.B. bei der Neuritis vestibularis.
Auslöser für Schwindelattacken
Wichtige Unterscheidungskriterien der verschiedenen Schwindelformen ist ob der Schwindel schon in Ruhe besteht (z.B. Neuritis vestibularis), durch bestimmte Bewegungen/Lagerung hervorgerufen wird (z.B. Benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwindel) oder nur in bestimmten Situationen auftritt (z.B. Phobischer Schwankschwindel).
Begleitsymptome von Schwindelattacken
Weitere wichtige Hinweise für die spätere Diagnostellung sind mögliche Begleitsymptome wie z.B. Tinnitus oder Hörminderung, neurologische Ausfälle wie Doppelbilder, Sprechstörung etc… oder gleichzeitig auftretende Kopfschmerzen.
Ursachen Schwindel – Welche Ursachen hat Schwindel?
Für Schwindelsymptome gibt es sehr viele unterschiedliche Ursachen. Zu den häufigsten gehören:
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (gutartige Lagerungsschwindel)
Der benigne periphere paroxysmale Lagerungsschwindel gehört zu den häufigsten Formen eines vorübergehenden Schwindels. Er macht etwa 20 % der klassischen Schwindelsyndrome aus. Er tritt so oft auf, dass ihn etwa 1/3 aller über 70-jährigen schon einmal oder mehrere Male erlebt haben. Typisch für einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel sind kurze Drehschwindelattacken, zum Teil auch mit Übelkeit, die durch Kopf- oder Körperdrehung ausgelöst werden. Der Schwindel hat einen typischen an- und abschwellenden Charakter und verschwindet meist innerhalb von 30 Sekunden.
Der Grund für den gutartigen Lagerungsschwindel sind Ohrsteinchen, die sich in den Bogengängen des Innenohrs ablagern und die Funktion des Gleichgewichtsorgans irritieren. Gründe für die Ablagerungen sind oft Abnutzungserscheinungen, manchmal jedoch auch als Folge eines Schädeltraumas.
Die Therapie erfolgt mit speziellen Lagerungsübungen die ihn von Ihrem Arzt gezeigt werden.
Neuropathia vestibularis
Die Neuropathia vestibularis ist in der Regel eine akut einsetzende einseitige Funktionsstörung des Innenohrs. Als Ursache wird eine Entzündung, vermutlich durch Virusinfekte oder eine Durchblutungsstörung des Innenohres vermutet. Dabei kommt es zu Drehschwindel mit Übelkeit, Erbrechen und Fallneigung zur betroffenen Seite.
Um die Erholung des Gleichgewichtsorgans zu unterstützen wird vorübergehend Kortison gegeben. Zusätzlich wird durch gezielte krankengymnastische Übungsbehandlung der Erholungsprozess gefördert.
Menière Krankheit
Die Menière Krankheit ist eine Erkrankung des Innenohrs. Sie ist gekennzeichnet durch die Kombination aus akut auftretenden Drehschwindelattacken mit Gangabweichung und Fallneigung sowie einer langsam voranschreitenden Hörminderung und Tinnitus des betroffenen Ohres im Verlauf.
Die Therapie besteht aus einer medikamentösen Langzeitbehandlung mit dem Medikament Betahistin, welches täglich in Tablettenform eingenommen wird.
Vestibularisparoxysmie
Leitsymptom der Vestibularisparoxysmie sind kurze, Sekunden bis wenige Minuten anhaltende Dreh- oder Schwankschwindelattacken, mit oder ohne Ohrsymptome (Tinnitus und Hörminderung). Diese werden klassischerweise durch bestimmte Kopfposition ausgelöst. Hörminderung und Tinnitus können auch zwischen den Attacken im Intervall vorhanden sein. Ursache für die Vestibularisparoxysmie ist ein Gefäßnervenkontakt des Hör- und Gleichgewichtsnervens (8. Hirnnerv).
Die Therapie erfolgt mit Medikamenten, die die Überregbarkeit des Gleichgewichtnervens mindern (Antiepileptika).
Zentral vestibuläre Schwindelformen
Zentral vestibuläre Schwindelformen entstehen durch Störungen im Gehirn, genauer gesagt durch Störungen im Hirnstamm oder Kleinhirn. Die Ursachen sind vielfältig. Die Dauer der jeweiligen Schwindelattacke gibt oft einen Hinweis auf die mögliche Ursache:
- Kurze Schwindelattacken: Häufigste Ursachen für kurz anhaltende zentrale Schwindelattacken (Sekunden bis Minuten oder wenige Stunden) sind TIA’s (vorübergehende Durchblutungsstörungen), besondere Formen der Migräne (vestibuläre Migräne oder Basilarismigräne) und sehr selten Multiple Sklerose und vestibuläre Epilepsien.
- Stunden bis Tage anhaltende Schwindelattacken: Zu den typischen Ursachen für Stunden bis wenige Tage anhaltende Dreh- oder Schwankschwindelattacken zählen Schlaganfälle, Hirnblutungen oder Multiple Sklerose. Hier sind in der Regel begleitende zentrale Symptome wie Doppelbilder, Halbseitensymptome, Gangstörung etc. vorhanden.
- Dauerschwankschwindel über viele Tage bis Wochen: Hier kommen Anomalien des kraniozervikalen Übergangs wie eine Arnold-Chiari-Malformation oder ischämische Schlaganfälle, Hirnblutungen oder Tumore in Betracht. Auch hier finden sich in der Regel begleitende neurologische Ausfälle.
Funktioneller Schwindel
Funktioneller Schwindel bedeutet, dass die Schwindelsymptome aus der Psyche entstehen und keine Ursache im körperlichen Bereich vorliegt. Häufig tritt ein funktioneller Schwindel in herausfordernden oder belastenden Lebenssituationen (psychogener Schwindel) oder spezifisch in bestimmten Situationen (z.B. Menschenansammlungen, enge Räume) auf (phobischer Schwankschwindel). Häufig ist der Schwindel von einer Angst- oder Depressionssymptomatik begleitet. Der funktionelle Schwindel ist mit dem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel eine der häufigsten Schwindelformen.
Gut zu Wissen
Eine häufig aufretende Problematik, die klassischerweise nicht zu den Schwindelerkrankungen gezählt wird, ist die orthostatische Hypotonie. Hierbei kommt es nach dem Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen zu einem Schwindelgefühl, Ohrrauschen, Wahrnehmung von schwarzen Punkten vor den Augen und manchmal sogar zu einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust. Ursache ist ein abnormer Abfall des Blutdrucks nach dem Aufrichten. Gründe hierfür sind meistens geringe Flüssigkeitsaufnahme, warme Außentemperaturen, aber manchmal auch medikamentöse Nebenwirkungen oder kardiale, endokrinologische oder neurologische Erkankungen.
Diagnose von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
Für die Diagnosestellung ist auch in der heutigen Zeit ein sehr sorgfältiges Anamnesegespräch die Grundlage. Hier wird insbesondere nach folgenden Aspekten gefragt:
- Zeitlicher Verlauf: akut einsetzend, über Tage dauernd oder über mehr als 3 Monate anhaltende Beschwerden.
- Art der Symptome: Drehschwindel, Schwankschwindel oder Benommenheitsschwindel.
- Modellierende Faktoren: Auftreten der Symptome beim Gehen, bei Lageänderung oder in bestimmten Situationen.
- Begleitenden Beschwerden.
Auch die Kenntnis über Vorerkrankungen, eingenommene Medikamente und persönliche Lebenssituation ist essenziell. Darüber hinaus erfolgt eine eingehende neurologische Untersuchung mit spezieller Untersuchung des Vestibularissystems.
Neben dieser Basisdiagnostik werden je nach Beschwerdebild weiterführende Untersuchungen wie neurologische Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Gefäße und bildgebende Verfahren wie Computertomografie und MRT des Kopfes eingesetzt.
Weiterhin können bei Bedarf Spezialistinnen und Spezialisten aus den über 30 Fachdisziplinen der Beta Klinik hinzugezogen werden. So gelingt es in kurzer Zeit eine speziell auf den Patienten zugeschnittene interdisziplinäre Abklärung auf höchstem medizinischen Niveau durchzuführen.
Therapie von Schwindel und Gleichgewichtsstörung
Therapeutisch werden je nach Beschwerdebild medikamentöse, krankengymnastische, verhaltenstherapeutische und selten interventionelle Verfahren angewendet.