Therapie

Epilepsie-Chirurgie

Die auf Heilung der Epilepsie abzielende Entfernung von Hirngewebe, das für die Anfallsentstehung verantwortlich ist, oder die auf Verbesserung der Situation abzielende Durchtrennung von Nervenfasern, über die sich anfallsartiges Geschehen im Gehirn ausbreitet, wurde im vergangenen Jahrhundert als sichere und erfolgreiche Behandlungsstrategie international etabliert.

Im Rahmen der prächirurgischen Epilepsiediagnostik, müssen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Handelt es sich wirklich um Epilepsie?
  • Ist diese Epilepsie medikamentenresistent?
  • Können diese Anfälle prinzipiell operativ behandelt werden?
  • Lässt sich der Anfallsursprung (Fokus) genauer eingrenzen?
  • Kann die Schädigung anderer Funktionen durch eine Operation ausgeschlossen werden?
  • Ist das Verhältnis von Chance und Risiko verglichen mit einer nicht-operativen Therapie günstig?

Nach Abschluss der Untersuchungen werden alle Befunde ausführlich mit dem Patienten und seiner Familie besprochen, um eine fundierte Entscheidung für oder gegen eine Operation zu ermöglichen.

In enger Kooperation mit der Neurochirurgie der Beta Klinik lassen sich alle Diagnoseverfahren zur Vorbereitung auf die Epilepsiechirurgie – auch die Implantation stereotaktischer Elektrode zur Lokalisation des Epilepsieherdes – umsetzten. Mittels MRT geführter Laserablation sind diese epilepsiechirurgischen Eingriffe besonders schonend.

Umfangreiche Informationen zur Epilepsiechirurgie für Fachleute und Patienten/-innen bietet seit Februar 2015 das europäische Projekt “e-pilepsy.eu”.

Epilepsiechirurgische Verfahren

Epilepsiechirurgische Verfahren zur Behandlung von pharmakoresistenten Epilepsien

Strategien:

  • kurativ: Entfernung des Gehirnareals, das die Anfälle erzeugt mittels Fokus-Resektion
  • palliativ: Unterbrechung der Nervenbahnen, über die sich die Anfallsaktivität ausbreitet mittels Diskonnektion
  • Kombination von Resektion und Diskonnektion
  • Fokus-Resektion
  • erweiterte Läsionektomie: Entfernung einer hirnstrukturellen Aufälligkeit, in deren Umgebung die Anfälle beginnen
  • Lobektomie: Entfernung eines Hirnlappens (lobus)
  • selektive Amygdalahippocampektomie: Entfernung von Hippocampus und Mandelkern (Amygdala)
  • Topektomie: Entfernung von Hirngewebe, in dem die Anfälle beginnen, das hirnstrukturell aber unauffällig erscheint
  • Hemisphärektomie: Entfernung einer Hirnhälfte

Es ist bei größeren Eingriffen auch möglich, das Hirngewebe nicht zu entnehmen, sondern es – weiterhin von Blutgefäßen versorgt – im Schädel zu belassen, aber sämtliche Nervenbahnen zu trennen: Lobotomie (Absetzung eines Hirnlappens), Hemisphärotomie bzw. funktionelle Hemisphärektomie (Hirnhälfte)

  • Diskonnektion
  • Callosotomie (split brain): Durchtrennung des vorderen, hinteren oder des kompletten “Balken”, der die Hirnhälften miteinander verbindet
  • multiple subpiale Transsektionen: senkrechte Durchtrennungen in der Hirnrinde ohne Gewebeentnahme.

Vagusnerv-Stimulation

Der X. Hirnnerv (Nervus vagus) versorgt die vegetativen Organe im Schlund, im Brustraum und im oberen Bauchraum und sendet Signale von dort zum Gehirn. Diesen Signalweg macht man sich bei der Vagusnerv-Stimulation (VNS) zunutze: Der Vagus lässt sich im Hals-/Nackenbereich sehr gut freipräparieren, sodass man eine Elektrode sicher befestigen kann. Ein Kabel wird unterhalb der Haut mit einem Pulsgenerator verbunden, der – wie ein Herzschrittmacher – in die Brustwand implantiert wird. Dieser Stimulator gibt nun regelmäßig einen elektrischen Reiz an den Vagusnerven (z.B. alle 5 Minuten für 30 Sekunden). Der Vagusnerv hat vielfältige Verbindungen in das ganze Gehirn.

Mittlerweile wurden weltweit ca. 45.000 Epilepsiepatienten mit einem Vagusnerv-Stimulator implantiert, die meisten davon in den USA. In Deutschland dürften derzeit ca. 700 Patienten implantiert sein, davon über 200 Patienten in Bonn. Die Krankenkassen zahlen die Behandlung über Klinikbudgets.

Man beobachtet bei ungefähr 40 bis 50 Prozent der Patienten eine stetige und dauerhaft anhaltende Verminderung der Anfallshäufigkeit (mindestens Halbierung).
Auch die Lebensqualität und das emotionale Befinden scheinen sich bei manchen Patienten unter der VNS zu verbessern. Anfallsfreiheit wird jedoch nur in maximal 10 Prozent der Fälle erzielt. Insgesamt ist die Behandlung gut verträglich, jedoch kommt es in den Phasen der Stimulation sehr häufig zu Heiserkeit.

Für eine Behandlung mit Vagusnerv-Stimulation kommen schwer betroffene Patienten mit medikamentenresistenten Epilepsien in Frage, bei denen eine Operation unmöglich ist oder nicht erfolgreich war.

Tiefe Hirnstimulation

Seit 2010 steht für schwer behandelbare Epilepsien mit der Tiefen Hirnstimulation (im Folgenden DBS für deep brain stimulation) ein neues Therapieverfahren zur Verfügung.

Die DBS wird seit längerem mit großem Erfolg bei anderen neurologischen Krankheiten eingesetzt (Parkinson-Erkrankung, essentieller Tremor, Dystonie).

Die DBS kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Ihre Epilepsie schwer behandelbar ist, d.h. wenn durch verschiedene Medikamente keine ausreichende Anfallsreduktion erreicht werden konnte und ein epilepsiechirurgischer Eingriff nicht möglich ist oder nicht erfolgreich war.

Zu den Aufgaben der Sprechstunde DBS in unserer Klinik gehören:

  • Beratung der Patienten und deren Angehöriger über DBS
  • Prüfung, ob DBS im speziellen Fall sinnvoll sein kann
  • Begleitung der Patienten vor, während und nach der Operation

Medikamentöse Therapie

Die korrekte Diagnose des Epilepsiesyndroms ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgversprechende medikamentöse Therapie. Häufig ist bereits der erste oder der zweite Versuch mit einem Präparat in Monotherapie oder zwei Präparaten in Kombination erfolgreich. Die Dosierung muss so gewählt werden, dass das Medikament einerseits gegen die Anfälle wirksam schützt, andererseits aber keine oder nur möglichst geringe Nebenwirkungen auftreten. Nebenwirkungen sind häufig der Grund für Therapieabbrüche.

Eine Medikamentenumstellung kann fast immer ambulant vorgenommen werden; nur in seltenen Einzelfällen ist ein stationärer Aufenthalt ratsam.

Änderungen in der Dosierung sollten nie ohne Rücksprache mit dem Arzt vorgenommen werden. Insbesondere das plötzliche Absetzen eines Medikaments, z.B. bei Nebenwirkungen, kann gefährlich sein.

Die regelmäßige Einnahme der Medikamente und eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient sind der Garant für eine optimale Therapie.

Im Zusammenhang mit einem Kinderwunsch, ergeben sich Fragen, die möglichst im Vorfeld einer Schwangerschaft mit einem Spezialisten besprochen werden sollten.

Wirkstoffe und Handelsnamen der Präparate (Auswahl)

  • Barbexaclon – Maliasin (Phenobarbital + Levopropylhexedrin) – nur bis Ende 2004
  • Carbamazepin – carba, Carbagamma, Carbium, Carbamazepin, Finlepsin, Fokalepsin, Sirtal, Tegretal, Timonil
  • Clobazam – Frisium
  • Clonazepam – Antelepsin, Rivotril
  • Diazepam – diazep, Diazepam, faustan, Lamra, Stesolid, Tranquase, Valiquid, Valium, Valocordin
  • Ethosuximid – Petnidan, Pyknolepsinum, Suxilept, Suxinutin
  • Felbamat – Taloxa
  • Gabapentin – Neurontin
  • Kalium-Bromid – dibro-Be
  • Lamotrigin – Lamictal
  • Levetiracetam – Keppra
  • Mesuximid – Petinutin
  • Oxcarbazepin – Trileptal
  • Phenobarbital – Fali-Lepsin, Lepinal, Luminal, (Maliasin – bis Ende 2004)
  • Phenytoin – Zentropil, Phenhydan, Epanutin, Phenytoin AWD
  • Pregabalin – Lyrica
  • Primidon – Liskantin, Mylepsinum, Resimatil
  • Retigabin – Trobalt
  • Sultiam – Ospolot
  • Tiagabin – Gabitril
  • Topiramat – Topamax
  • Valproinsäure/Valproat – Convulex, Convulsifin, Ergenyl, Leptilan, Myproin, Orfiril
  • Vigabatrin – Sabril
  • Zonisamid – Zonegran

Es gibt eine Reihe weiterer alternativer Behandlungsstrategien, die von manchen Patienten in Anspruch genommen werden.

Nur für die ketogene Diät, die vor allem bei schwer behinderten Kindern anwendbar erscheint, ist eine gewisse Wirksamkeit belegt. Für andere Verfahren (Akupunktur, Homöopathie u.ä.) fehlen überzeugende Wirksamkeitsnachweise.

Der Psychotherapie kommt im Zusammenhang mit dem Auftreten begleitender psychischer Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen eine Bedeutung in der Epilepsiebehandlung zu. Sie kann auch generell zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Der Therapeut sollte möglichst über Erfahrungen mit Epilepsiepatienten und entsprechende Kenntnisse verfügen.

Anfallsselbstkontrolle und Patientenschulung können über die Vermeidung ungünstiger Verhaltensweisen zu einer Reduktion der Anfallshäufigkeit und insgesamt zu einer Verbesserung der Situation beitragen, sie ersetzen aber nicht die medikamentöse Therapie.

Unsere Empfehlung: Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt, wenn Sie mit der schulmedizinischen Behandlung unzufrieden sind und über Alternativen nachdenken!